Teheran Tagebuch – Lektionen einer Reise (Lektion 5 & 6)

Lektion 5: Gedenken

Vokabeln:

Friedhof – gur-estan / ġabr-estan

Grab – ġabr

Paradies – behesht

Ich vermisse Dich – Delam barāye to tang shodeh.

(„ġ“ wird als kehliges G ausgesprochen, es gibt ein dunkles ā, das wie in dem englischen Wort „mall“ ausgesprochen wird, und ein helles a, das wie das deutsche A klingt.)

Am Morgen geht Modjtaba zur Arbeit. Sepideh und ich machen uns kurze Zeit später auf den weiten Weg zum Friedhof „Behesht-e Zahra“, der fast außerhalb der Stadt liegt. Dazu müssen wir wieder Taxi, Metro und Taxi fahren. Allein die Metrofahrt dauert eine Stunde, doch es wird nicht langweilig: ständig laufen Verkäuferinnen im Frauenabteil hin und her und werben für Strümpfe, Haarspangen, Luftballons oder gefälschte Puma T-Shirts. Die Frauen kommen untereinander ins Gespräch. Meine Tante erzählt einer wildfremden Dame, dass wir auf dem Weg zum Grab ihres Sohnes sind, der vor vierzehn Jahren an Knochenkrebs starb, und zum Grab ihrer kürzlich verstorbenen Mutter. Die Fremde ist sehr ergriffen. Ein kleines Mädchen läuft hin und her und guckt neugierig in die offenen Taschen. An der Station Imam Khomeini strömen plötzlich viele Männer durch die Türen, weil die restlichen Abteile schon zu voll sind. Die Metrofahrerinnen regen sich auf. „Aġa, boro birun! Chera inja safar shodid?“ Ich reg’ mich auch auf. Das ist schließlich unser Abteil und jetzt wird es ganz schön eng hier… Aber nach einer Weile beruhigen wir uns wieder. Eine Frau im Chador ist neugierig als sie mitkriegt, dass ich kein Persisch spreche und fragt Sepideh über mich aus. Wie alt ich sei, woher ich komme, ob ich verheiratet sei und ob ich Schiitin bin (die Schia bildet nach den Sunniten die zweitgrößte Glaubensrichtung des Islams; die Iraner sind meist Schiiten). Bevor ich irgendwas Blödes sage, beantwortet meine Tante die letzte Frage: ja, der Vater sei Moslem. Dann zückt die verschleierte Frau ihr Smartphone und sucht über den Touchscreen das Foto ihrer 24-jährigen Tochter raus. Die ist blondiert, toupiert, stark geschminkt und posiert aufreizend für die Kamera. „Dokhtare khashang-e“ – „Eine sehr hübsche Tochter“ sage ich höflich und die Mutter ist zufrieden.

Verglichen mit unserer Metrofahrt ist unser Aufenthalt auf dem Friedhof eher kurz, weil uns ein Taxifahrer erst zu Amins, dann zu Malijoons Grab bringt und im Auto auf uns wartet, während wir den Staub von den Grabsteinen mit Wasser abspülen und Sepideh ihren Liebsten von meinem Besuch im Iran erzählt. Ich bin traurig, dass ich die beiden – meinen viel zu früh verstorbenen Cousin und die zweite Frau meines Großvaters – im Iran nur an ihren Gräbern besucht habe und nehme mir vor, es mit den noch lebenden, auf der ganzen Welt verteilten Familienangehörigen ab jetzt anders zu handhaben. Australien, Kanada, Kalifornien, Florida, Haiti, Klagenfurt, Schriesheim, Heidelberg – ich komme! Versprochen.

Lektion 6: Geschäfte

Vokabeln:

Großer Basar – bazar-e bozorg

Gold – talā

Pistazien – peste

Fotografieren verboten – aks gereftan mamnu’

Nach dem Friedhof geht es zum alten Teheran-Basar, auch „Bazar-e bozorg“ genannt. Basar ist übrigens ein persisches Wort. Es ist Mittagszeit und der Basar ist knackevoll mit Menschen und Waren bis unter das Gewölbe: Händler, Leute, die ihre Mittagspause dort verbringen, Käufer, Goldschmuck, Silberbesteck, Kunsthandwerk aus Kupfer, Gewürze, Teppiche, gefälschte Marken, Spitzen-Dessous. Draußen wimmelt es auf einem Platz von Männern mit Geldscheinen in der Hand, die durcheinander rufen und in irgendwelche Tauschgeschäfte verwickelt sind. Ich bin scheinbar die einzige Touristin und mir ist es peinlich, meinen Fotoapparat zu zücken, weil das immer genau der Moment ist, in dem ich mich als Nichtiranerin entlarve (und natürlich auch, wenn ich den Mund aufmache). Hier ist Fotografieren auch nicht so gern gesehen. Noch bin ich nicht richtig in Kauflaune und so nehme ich nur ein Pfund Pistazien mit. Der Basar ist wie eine Stadt in der Stadt, der größte im ganzen Land. Ich werde wiederkommen.